( ) Niederstetten, 22. Jan. Kaum ein Bauer im Hohenloher Land bleibt zu Haus, wenn in Niederstetten Roßmarkt ist. Dies ist schon seit 80 Jahren so, und daß unser Roßmarkt sich noch der alten Beliebtheit erfreut, das hat der heutige Tag bewiesen. Aber nicht nur aus dem Hohenloher Land, auch weit aus dem bayerischen Gau und dem badischen Bauland waren die Besucher des Marktes gekommen. Mit einem Auftrieb von mehr als 200 Pferden und Fohlen, von welchen ein großer Teil zu hohen Preisen den Besitzer wechselte, war jede frühere Frequenz des Pferdemarktes übertroffen. – Das Preisgericht hatte unter dem zahlreichen und hervorragend schönen Material zu sichten und diese Arbeit war keine leichte. – Dem Festzug war besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden. Die junge Stadtkapelle spielte flott voraus, die historische Roßmarktfahne wurde vorausgetragen und eine große Anzahl Reiter in Uniformen alter württembergischer Reiterregimenter bildeten den Hauptteil des Zuges. Sogar zwei Festwagen waren gestellt, eine gemütliche Heckenwirtschaft, in welcher wacker gezecht wurde, und ein Wagen des Handwerks, welcher alle Berufe in fleißiger Arbeit zeigte. – In der Turnhalle zeigte eine Ausstellung Leistungen der hiesigen Gewerbe. Nach dem Festzug entwickelte sich in den Straßen und Gasthäusern der Stadt ein überaus bewegtes Leben und Treiben. Auf dem Marktplatz hatte sich ein fliegender Krämermarkt arrangiert, auf welchem besonders der volkstümliche "wahre Jakob" mit seinem derben Humor die Marktbesucher vergnügte. – Um 4 Uhr fand vor dem Rathause die Prämierung statt. Bei der großen Zahl der prämierten Pferde würde es zu weit führen, die einzelnen Preise anzuführen. Herr Stadtschultheiß Schroth führte in kurzer Rede mit vollster Berechtigung aus, daß die Prämierung gezeigt habe, daß unsere Pferdezucht große Erfolge erzielt habe. Herr Stadtschultheiß Schroth ermahnte auch die Landwirte, auf dem beschrittenen Wege fortzufahren, wozu die hiesige Beschälplatte, welcher in diesem Jahr zwei besonders schöne Hengste zugeteilt sind, die beste Gelegenheit gebe. – Es sei noch erwähnt, daß außer den selbstgezüchteten Pferden von sehr vielen Händlern aus Creglingen, Crailsheim, Hohebach, Rothenburg, Weikersheim, Tauberbischofsheim und anderen Orten ein wertvolles Pferdematerial zum Markte gebracht wurde. – Die Lose der Pferdemarktlotterie waren schon vor dem Markte ausverkauft, so daß der großen Nachfrage am Markt selbst nicht Genüge geleistet werden konnte. Der Niederstettener Roßmarkt hat auch gezeigt, daß zwischen Stadt- und Landbewohnern des Hohenloher Landes noch ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl herrscht und daß Stadt und Land sich dieses schönen Verhältnisses erfreuen.

Tauber-Zeitung, 24. 1. 1925