( ) Niederstetten, 14. Febr. Der kommende Sommerfahrplan bringt für unsere an der Peripherie gelegenen württembergischen Landesteile eine ganz wesentliche Verschlechterung im Verkehr mit der Landeshauptstadt, In den letzten Jahren konnten wir recht zufrieden sein. Mit dem Frühzug waren wir um 9 Uhr 5 Minuten in Stuttgart und konnten uns fast bis 6 Uhr abends dort aufhalten. Der Abendschnellzug wird nun schon mit seinem Abgang in Stuttgart in die frühen Nachmittagsstunden verlegt. Es ist für uns also gar keine Möglichkeit mehr, am Nachmittag in Stuttgart noch etwas zu erledigen. Dagegen erhalten wir einen unangenehmen mehrstündigen Aufenthalt in Crailsheim, welcher Zeit und Geld kostet, um eben doch nicht früher als jetzt nach Hause zu kommen. Diese Verschlechterung des Fahrplanes hat Frankreich in der internationalen Fahrplankonferenz durchgesetzt. Auf den Verkehr unseres Landes teils mit Stuttgart wird diese Fahrplanänderung ohne Zweifel stark mindernd einwirken. Alle diejenigen, welche zum Zwecke des Einkaufes nach Stuttgart reisen, seien es private oder Geschäftsleute, werden für ihre Geschäfte den besseren Anschluß nach Würzburg benutzen und Besuchs- und Vergnügungsreisende, welche einmal einen Tag in Stuttgart verleben wollten, werden gezwungen sein, davon abzusehen. Vom Verkehr nach Stuttgart wird nur der notwendige dienstliche Verkehr übrig bleiben. Andererseits wird auch der Verkehr zwischen Stuttgart und unserer Gegend dadurch leiden und ganz besonders die Badestadt Mergentheim wird es schmerzlich empfinden, von den wenigen guten Verbindungen von Stuttgart eine Verbindung zu verlieren. Ich habe schon vor Jahren die Gründung eines Verkehrsverbandes der Taubertalbahn angeregt, welcher sowohl der Reichsbahn gegenüber als auch bei der Reichspost die Verkehrsinteressen der Gegend wahren müßte. Jetzt wird wieder eine Gelegenheit für die Tätigkeit dieses Verbandes gegeben. Jedenfalls aber können die Gemeinden, wenn sie zusammenstehen, auch ohne diesen Verband etwas bezwecken. Nachdem die Früherlegung des D-Zuges 117 scheinbar unabwendbar fest steht, muß auf einem anderen Wege eine Verbesserung des Verkehrs von Stuttgart nach dem Taubertal gesucht werden. Dieser ist im Folgenden gegeben. Abends nach 9 Uhr laufen in Crailsheim innerhalb 5 Minuten 4 schnellaufende Züge ein. es sind dies: E 517 von Friedrichshafen – Ulm, D 237 von Stuttgart, D 148 von Berlin - Nürnberg, wobei letzterer Zuganschluß von München in Ansbach erhält. Wenn wir also einen Nachtzug etwa ab Crailsheim 9.30 Uhr abends erhalten, dann haben wir nicht nur von Stuttgart, sondern von ganz Deutschland her die besten Anschlüsse. Ganz besonders hätten wir auch eine gute Abendverbindung von Ulm, welche uns bis jetzt fehlt. Dieser Zug würde nicht zu spät (etwa um 11 Uhr nachts) in Mergentheim eintreffen. – Wie ich erfahre, sollen die Verkehrswünsche in Zukunft durch die Handelskammern vertreten werden. Es wäre also endlich einmal eine Gelegenheit für die Handelskammer Heilbronn gegeben, etwas Positives für unsere Gegend zu leisten. Das Eintreten der Handelskammer mit einer gleichzeitigen gemeinsamen Aktion der Gemeinden der Taubertalbahn von Crailsheim bis Niederstetten dürfte gewiß nicht verfehlen, auf die Generaldirektion in Stuttgart Eindruck zu machen. Und es wäre auch zu wünschen, daß die Generaldirektion der Reichseisenbahn in Stuttgart den durchaus berechtigten Wünschen eines großen Bezirkes entgegenkommen würde.

Vaterlandsfreund, 16. 2. 1929