( ) Niederstetten, 11. März. Der in der letzten Versammlung des landw. Hausfrauenvereins geäußerte Gedanke der Gründung einer Eierabsatzgenossenschaft fand heute in der Werbeversammlung seinen praktischen Niederschlag. Einberufer waren der Landw. Bezirksverein und Landw. Bezirks-Hausfrauenverein. Der Besuch der Versammlung, welche in der Turnhalle stattfand, war sehr gut. Einige hundert Bäuerinnen aus der weiten Umgebung, besonders auch aus dem Oberamt Mergentheim, hatten sich eingefunden. Auch viele Landwirte waren erschienen. Hr. Herrmann-Blaufelden, Vorsitzender des Landw. Vereins Gerabronn, eröffnete und begrüßte die Versammlung und die erschienenen Referenten. Der Zweck der Versammlung sei, Aufklärung über die neugeschaffene Eierverkaufszentrale hinauszutragen. Es gelte zu handeln, bevor die im Notprogramm vom Reich der Landwirtschaft zur Verfügung gestellten Mittel ausgegeben seien. Der erste Referent war Herr Inspektor Mayer von der württ. Landwirtschaftskammer. Die Geflügelzucht, so führte er aus, war früher ein Nebenzweig der Landwirtschaft. Heute weiß man, daß auch dieser Zweig derselben nutzbringend gestaltet werden kann. Man hat gesehen, wie viel Geld für Eier ins Ausland geht, und hat im Reichsnotprogramm Mittel bereit gestellt, um den Eierabsatz zu fördern. Für Württemberg wurden diese Mittel unter folgenden Hauptbedingungen gestellt: Gründung einer Eierverkaufszentrale unter Mitwirkung der Landwirtschaftskammer und der landw. Organisationen auf kaufmännischer Grundlage und mit einem Kapital von mindestens 10 000 M. Mindestumsatz jährlich eine Million Eier. Anerkennung der Bedingungen für das deutsche Frischei. Einführung des Lieferungszwanges. Zusammenwirken der Absatzgenossenschaft mit anderen benachbarten Genossenschaften, soweit die gleichen Gebiete beliefert werden. Die hohe Einfuhrziffer von Eiern beruht einerseits darauf, daß die deutsche Eierproduktion nicht in gleichem Maße gewachsen ist wie die Bevölkerungsziffer und andererseits darauf, daß unser Geflügel nicht leistungsfähig genug ist. Den deutschen Bedarf können wir aber durch Produktionssteigerung decken. Der nächste Weg dazu wäre Erhöhung der Geflügelzahl um 50 Prozent. Ein anderer, sogar besserer Weg ist die Hebung von Leistungsfähigkeit. Die mangelnde Leistungsfähigkeit beruht auf mangelnder Kenntnis der Hühnerzucht und -haltung. Der Geflügelhof muß verjüngt werden, Hühner über drei Jahre alt sind unrentabel. Zur Nachzucht müssen Frühbruten verwendet werden, da diese im Winter anfangen zu legen. Denn nur wenn die Belieferung im Sommer und Winter gleich durchgehalten wird, gelingt es der Zentrale, sich einen immer gleichen Kundenstamm zu halten. Im Durchschnittsfall soll die Legefähigkeit der Hühner auf 120 bis 140 Eier im Jahre gebracht werden, gegen den heutigen Durchschnitt von 80 Stück. Es dürfen nur gut durchgezüchtete Leichtrassen gehalten werden, da diese den Lauf besser ausnützen. Die Rassen sind zu vereinheitlichen, um ein in Form, Farbe und Gewicht möglichst gleiches Produkt auf den Markt zu bringen. Sachgemäße Pflege in neuzeitlichen Ställen, welche Luft, Licht und Bewegungsfreiheit gewährleisten, ist Bedingung. Der Fütterung ist im Winter tierisches Eiweiß zuzusetzen. Die Eier sind stets frisch aus dem Nest zu nehmen, da sonst die Haltbarkeit leidet. Nicht nur die Zahl der Eier ist maßgebend, sondern auch das Gewicht, da in Zukunft die Eier nach Gewicht verkauft werden. Wenn so eine bessere Qualität an Eiern erzeugt und gemeinnützig vertrieben wird, ist eine bessere Rentabilität der Geflügelzucht sicher. Das zweite Referat erstattete Herr Deutschländer vom Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften. Die Eierverkaufszentrale soll zwei Wirkungen haben. Eine privatwirtschaftliche, bessere Erträge der Geflügelzucht; eine volkswirtschaftliche, Minderung der Eiereinfuhr. Um den verschuldeten Bauernstand zu retten, ist die Hilfe des Staates und das Verständnis des Verbrauchers notwendig. Aber der Bauernstand will nicht nur um Hilfe rufen, er will auch selbst helfen. Die Eiereinfuhr spielt eine große Rolle. Dabei kommt die Einfuhr zum Teil aus Ländern, welche landwirtschaftlich auf weit niederer Stufe stehen als Deutschland. Produktionssteigerung ohne Absatz ist Unsinn. Deshalb soll dem deutschen Volke das deutsche "Frischei" gegeben werden. Nur Qualitätsware in möglichst großen Mengen, gleicher Güte aus gleicher Hand, kann zum Ziele führen. Ähnliche Bestrebungen wurden schon vom Jahre 1879 ab mehrfach verfolgt. Die Versammlung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Kassel im Juni 1928 faßte endgültig den Beschluß, daß die landwirtschaftlichen Verbände an die Aufgabe herantreten sollen. Die Standardvorschriften wurden festgelegt. Von Württemberg aus sah sich die Kommission im Reiche um, welches die beste Art der Gründung sei. Vorbildlich wurde Oldenburg befunden. Es wurde beschlossen, die Eier nach Gewicht, nicht nach Zahl zu bezahlen. Dadurch gewinnt der Landwirt selbst ein Interesse an der Steigerung der Qualität. Der Redner glaubt den Landwirten Preise für das ganze Jahr hindurch garantieren zu können, welche sie noch nie erzielten. Bei der Frage, ob Neugründung oder Anschluß an bestehende Genossenschaften zu wählen sei, habe man sich für das erstere entschieden, damit die Frau Trägerin dieses Zweiges der Landwirtschaft bleibe. Die Bezirksstellen sollen aber keine eigene Verwaltung haben, sondern durch eine schon bestehende Genossenschaft, Molkerei, Darlehenskasse, oder ähnliche Stelle verwaltet werden. Die Bezirksstelle errichtet Sammelstellen. Das Guthaben erhält jedes Mitglied durch diese, aber schon abgezählt von der Zentrale. Die Kreissammelstelle durchleuchtet alle Eier, welche sämtliche durch die Mitgliednummer gekennzeichnet sind. Schlecht liefernde Mitglieder werden in Strafe genommen und im Wiederholungsfalle ausgeschlossen. Die Mitglieder müssen sich zur restlosen Ablieferung verpflichten. Geschenke an Verwandte werden dadurch nicht berührt, verkaufen darf aber kein Mitglied unter keinen Umständen anders als durch die Zentrale. Dann erhalte das geprüfte Ei den Stempel als Frischei. Der Absatz sei gesichert. Zu erreichen sei dies aber nur auf dem Wege geschlossenen Vorgehens. Frau Held vom Hohenloherhof unterstrich in ihren Ausführungen die Ausführungen der Vorredner. Frau Held vertrat den Verband der Landw. Hausfrauenvereine. Mit einem Dankeswort an die Vorredner eröffnete Herr Herrmann-Blaufelden die Diskussion. Es würde zu weit führen, die zahlreichen Reden und Gegenreden alle aufzuführen. Schließlich verlas Herr Herrmann eine Liste des anläßlich einer Vorbesprechung aufgestellten Arbeitsausschusses. Der Arbeitsausschuß wird die Genossenschaft gründen.

() Niederstetten, 11 März. Heute ereignete sich hier ein schweres Fuhrwerkunglück. Die Pferde eines hiesigen Geschäftsfuhrwerkes wurden scheu und rannten von der abschüssigen langen Straße mit großer Schnelligkeit um die Ecke des Marktplatzes beim Gasthaus zum Ochsen. Ein dort stehender hiesiger Geschäftsmann wurde mit voller Wucht von den Pferden angerannt und in eine Hausecke geworfen, wo er bewußtlos liegen blieb. Nachher kam der Verunglückte wieder zum Bewußtsein. Er trug aber schwere Verletzungen davon und wurde mit einem Sanitätsauto nach Würzburg verbracht. Der fleißige und allseits geachtete Gewerbetreibende wird von jedermann bedauert.

Vaterlandsfreund, 13. 3. 1929