( ) Niederstetten, 18 März. Im Hirschensaale hielt gestern die hiesige Ortsgruppe des Bauern- und Weingärtnerbundes ihre Jahresversammlung ab. Der Besuch war sehr schwach. Herr Lagerhausverwalter Glaser eröffnete und leitete die Versammlung. Herr Bauernanwalt Schmidt brachte einen Lichtbildervortrag "Die Landwirtschaft im Rahmen der Volkswirtschaft" zur Vorführung. Es mögen wohl hundert Bilder gewesen sein, welche in rascher Folge vorüberzogen. Sie behandelten die Bevölkerungsprobleme, die Wichtigkeit der Landwirtschaft, ihr Verhältnis zur Einwohnerzahl, Verteilung von Grund und Boden, Menge und Art der landwirtschaftlichen Produkte vor und nach dem Kriege, Vergleiche mit den Leistungen der Industrie, Verschuldung, Ein- und Ausfuhr. Der Vortrag wurde beifällig aufgenommen. Herr Glaser sprach dem Redner den Dank der Versammlung aus. Hierauf sprach Herr Glaser einem höheren Zollschutz das Wort und polemisierte gegen verschiedene Parteien. Die Versammlung wählte hierauf einen Vertrauensmann in der Person des Landwirts Herrn Andreas Ströbel hier durch Zuruf. Herr Landtagsabgeordneter Klein-Vorbachzimmern sprach über die politische Lage. Die Landwirtschaft leide unter der starken Außenbelastung und einer falschen Innenpolitik. Zu den 4 Milliarden innere und äußere Kriegslasten komme die passive Handelsbilanz. Wir haben 2,5 Millionen Arbeitslose, welche mit ihren Angehörigen zusammen ein Achtel des deutschen Volkes ausmachen. Das sei auf die Dauer nicht zu ertragen. Aber es werde so bleiben, weil die Industrie durch zu hohe Löhne, Steuern und soziale Lasten auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig sei. Auf eine fünfköpfige Familie kommen in Deutschland heute 1600 M Lasten und 1000 M Auslandsschulden. Die Auslandsschulden betragen insgesamt 13 Milliarden und erfordern eine Milliarde Zinsen. Der Landwirtschaft müsse zur Erhöhung ihrer Kaufkraft geholfen werden, das werde die wirtschaftliche Lage bessern. Der Niedergang der Landwirtschaft sei immer der Anfang vom Untergang eines Volkes gewesen. – Herr Glaser dankte Herrn Klein und schloß die Versammlung.

Vaterlandsfreund, 20. 3. 1929