( ) Niederstetten, 15. April. Die Landwirtschafts- und Gewerbebank e. G. m. b. H. in Gerabronn hatte durch ihre hiesige Zweigstelle gestern ihre Mitglieder und Freunde in den Löwensaal eingeladen. Der Einladung war sehr zahlreich Folge geleistet worden. Herr Stadtschultheiß Schroth begrüßte namens der Bank die Versammlung. Das erste Referat erstattete Herr Bankdirektor Landauer. Er nahm die Tatsache als Ausgangspunkt, daß die Bank ihr 60. Geschäftsjahr hinter sich habe und gab einen interessanten Rückblick auf das Entstehen der Bank und ihre wirtschaftliche Bedeutung für den Bezirk. Mit einer Bilanzsumme von über 3 Millionen RM stehe die Bank an der Spitze der Kreditgenossenschaften in Württemberg. Der Gründer der Kreditgenossenschaften Schulze-Delitzsch habe damit den Mittelstand auf alle Zeiten Gutes getan, er habe sich aber nicht mit der Gründung der Genossenschaften begnügt, sondern habe ihnen auch die gesetzlichen Grundlagen verschafft. Herr Bankdirektor Landauer unterzog auch die wirtschaftliche Lage des Bezirks einer Betrachtung. Über seine in allen Teilen sehr tiefgründigen Ausführungen haben wir anläßlich der Generalversammlung in Gerabronn bereits ausführlich berichtet. Zum Schluß gab Herr Bankdirektor Landauer den Bilanzbericht und schloß unter dem lebhaften Beifall der Versammlung. Herr Stadtschultheiß Schroth sprach den Herren Bankdirektor Landauer und Filialdirektor Schuster den Dank für ihre Tätigkeit aus. Herr Diplom-Volkswirt Christoph Korzendörfer, Direktor der Reichszentrale für Heimatdienst Landesabteilung Württemberg, sprach über "Deutschlands wirtschaftliche Lage". Drei Punkte griff der Redner aus dem großen Komplex wirtschaftlicher Fragen heraus: Weltwirtschaft und Weltpolitik, Lage der Landwirtschaft und des Gewerbes,. Stabilität der Währung. Ausgegangen muß werden von dem großen Schnitt in der Weltwirtschaft, dem Weltkrieg. Vier Jahre lang haben alle Völker Europas nicht nur ihre beste Kraft auf den Schlachtfeldern geopfert, sondern sie haben auch ihre maschinelle Kraft und ihre Finanzkraft in den Dienst der Vernichtung gestellt. Alle Völker sind mit einem Aderlaß an Gut und Blut aus dem Weltkrieg hervorgegangen. Ganz Europa ist in diesem Krieg unterlegen, nur die Vereinigten Staaten von Nordamerika (in den folgenden Ausführungen sind diese kurz mit U.S.A. bezeichnet) waren Sieger. England, Frankreich und Italien sind ihnen heute mit 10,3 Milliarden verschuldet. Dazu kommt die große innere Schuld der Siegerstaaten. Die Lage ist also dahin zu präzisieren: Einem ungeheuer verschuldeten Europa stehen als Gläubiger die U.S.A. gegenüber, die Siegerstaaten sind Deutschland gegenüber die Büttel der U.S.A. Während nun Europa sich verschuldet hat, ist die Produktionsfähigkeit Amerikas ungeheuer gewachsen, der weltwirtschaftliche Mittelpunkt der Welt ist von Europa auf die U.S.A. übergegangen. Zu der Verschuldung an die U.S.A. kommen die Deutschland auferlegten Lasten der Reparationen. Allein bis zum Jahre 1922 hat Deutschland in Form von Eisenbahnen, Schiffen, Vieh, Kohle, Eisen u. a. über 25 Milliarden geleistet, weitere 1,5 Milliarden im Ruhreinbruch, dann kam das Londoner Abkommen, dann der Dawesplan, jetzt spielen die Pariser Verhandlungen. Der Dawesplan verlangt mehr Geld als Ware. Zur Bezahlung dieser Beträge hat Deutschland im Ausland 10 Milliarden geborgt und so die politische Schuld in eine wirtschaftliche Schuld verwandelt. Deutschland ist also mit einer ungeheuren wirtschaftlichen Schuld belastet, neue Lasten sollen dazu kommen und dazu kommt ferner die passive Handelsbilanz. Der für alle Völker verwerfliche Unsinn der Reparationen muß untergehen. Sicher ist, daß auf der Pariser Konferenz nicht das letzte Wort darüber gesprochen wird. Bei Betrachtung der Wirtschaft wird leicht übersehen, unter welchen Verhältnissen Europa lebt. Die Bevölkerung ist gewachsen, aber der Boden nicht. In Deutschland leben auf einem Quadratkilometer 134 Menschen, in den U.S.A. nur 13. Die Basis, auf der das deutsche Volk lebt, hat sich vollkommen verschoben. 1882 lebten 40 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft und 45 Prozent in Gewerbe und Handel, 1925 waren nur noch 23 Prozent in der Landwirtschaft und 58 Prozent in Gewerbe und Handel. 1882 waren 78 Prozent von Gewerbe und Handel in Kleinbetrieben tätig, 1925 nur noch 39 Prozent. 1875 lebten 6 Prozent der Bevölkerung in Großstädten, 1925 dagegen 27 Prozent. In 40 Jahren hat sich also eine völlige Umstellung der Bevölkerung und des Berufsaufbaus vollzogen. Auf der einen Seite Vermehrung der Bevölkerung, auf der anderen Seite Druck der Reparationen haben dazu geführt, daß das deutsche Volk arbeitet wie kein anderes und daß es trotzdem Mangel leidet. Bei der Betrachtung der Not der Landwirtschaft ist ein Blick ins Ausland notwendig. Während des Krieges wuchs die Weizenanbaufläche der U.S.A. um 10 Millionen Hektar. (Die Gesamt-Getreideanbaufläche in Deutschland beträgt 8 Millionen Hektar.) Die U.S.A. lieferten während des ganzen Krieges den Feindstaaten Weizen, stellten aber 1920 ihre Kredite an dieselben ein. Aber die 10 Millionen Hektar drückten jetzt auf den Weltmarkt und führten einen Preissturz herbei. Die deutsche Landwirtschaft kam dabei noch glimpflich weg. In den U.S.A. haben in drei Jahren 25 Prozent Farmer Bankrott gemacht und 15 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in U.S.A. wurden einfach verlassen. Es geht aber trotzdem nicht, weil an der Not der Landwirtschaft nicht das Überangebot auf dem Weltmarkt schuld ist (es gibt heute weniger Getreide auf dem Weltmarkt als vorher und doch sind die Preise schlechter), die Not gründet sich darin, daß die Kaufkraft in ganz Europa gesunken ist. In der ganzen Welt hat das Geld ein Drittel seiner Kaufkraft eingebüßt. Die Not der Landwirtschaft besteht 1) in den hohen Steuern, 2) in dem gesunkenen Preisen, 3) in der gesunkenen Kaufkraft des Arbeiters und Gewerbetreibenden. Eine Folge dieser Not ist die große Verschuldung. Hier ist Süddeutschland besser daran als andere Gebiete. Bei der heutigen hohen Verzinsung muß die Landwirtschaft eine 1 Milliarde Zinsen gegen 300 Millionen Zinsen im Jahre 1913 tragen. (In Württemberg hatte die Landwirtschaft 1923 24 M Schulden pro Hektar, 1928 dagegen 380 M pro Hektar.) Diese Zinsenlast kann nur getragen werden durch Erhöhung der Einnahmen. Dazu muß das ganze deutsche Volk helfen. Wir haben 1927 eingeführt: für 1/2 Milliarde Fleisch, 1/2 Milliarde Molkereiprodukte, 1/2 Milliarde Obst, Eier etc. Staatshilfe allein kann nicht helfen, denn was der Staat aus der aus einer Tasche gibt, muß er aus einer anderen nehmen. Höhere Zölle sind teilweise vielleicht tragbar. Sie sind auch durchzuführen bei Überseeländern, mit welchen wir keine Handelsverträge brauchen. Wenn wir aber auf die Produkte mit Ländern hohe Zölle legen, mit welchen wir Handelsverträge brauchen, so kann der Fall eintreten, daß diese Länder die Preise ihrer Produkte um die Zölle ermäßigen, wir haben dann keinen Vorteil für die Landwirtschaft erreicht und sind ein industriellen Kunden losgeworden. Solange nicht das deutsche Volk in seiner Gesamtheit dazu erzogen ist, nur deutsche Waren zu verkaufen, hilft kein Zoll. Verbesserung der Qualität, Standardisierung, Verbesserung der Absatzorganisation, das sind die Bedingungen, unter welchen die deutsche Landwirtschaft die 1 1/2 Milliarden in die eigene Tasche schieben kann. Es ist also auch noch die Frage zu lösen, wie kann die Kaufkraft des Volkes gehoben werden? Dazu ist die erste Bedingung eine stabile Währung. Das Geld darf, wenn wir es haben, nicht seinen Wert verlieren, denn niemand will das Geld um das Geldes willen, sondern um sich des Lebens Notdurft damit zu beschaffen. Der Redner ging damit zur Frage der Stabilität unserer Währung über. Der Begriff des Geldes ist so zu fassen: Hier liegen 1000 M, dort tausend Gütereinheiten. Wenn nun immer mehr Geld gedruckt wird, während Gütereinheiten gleich bleiben, sinkt der Wert des Geldes. Die Sicherheit des Geldes besteht darin, daß dasselbe in einem festen, gleichbleibenden Verhältnis zur Gütermenge steht. Wächst die Gütermenge, kann auch das Geld wachsen. Wie steht es nun um unsere Währung? Diese war vor dem Kriege lange nicht so stabil als heute. Vor dem Kriege konnte die Reichsregierung einen Einfluß darauf ausüben, wenn sie Geld benötigte. Heute hat die Reichsregierung nur einen jeweiligen Kredit von 600 Millionen Mark auf drei Monate, nicht mehr. Eine bedauerliche, aber gut wirkende Tatsache ist zu verzeichnen. Das Reichsbankgesetz wurde in Verbindung mit dem Dawesplan geschaffen, denn unsere Gegner haben das größte Interesse an der Stabilität unserer Währung. Die Reichsbank steht unter einem Generalrat, welchem 7 deutsche und 7 Ausländer angehören. Dem Generalrat übersteht der Banknotenkommissar, welcher jede ausgebende Note daraufhin prüft, ob sie dem Deckungsverhältnis entspricht. Jeder ausgehende Mark muß eine Marktdeckung gegenüberstehen. Diese Deckung besteht zu 30 Prozent in Gold, zu 10 Prozent in Devisen (Gold wert). der Rest muß in guten Reichsbankwechseln bestehen. Ein guter Wechsel bedeutet, daß hinter ihm eine Produktion in gleichem Werte steht. Die Prozent in Gold bedeuten aber eine Anweisung auf Güter im Ausland. Und weil Generalrat und Banknotenkommissar darüber wachen, können wir ruhig sein, daß unser Geld seinen Wert behält. Eine weitere Garantie besteht darin, daß heute niemand ein Interesse an einer Inflation hat. Die Enteignung des Mittelstandes 1920/1923 kam der Industrie zu gut, es gab Kreise, welche ein Interesse an der Inflation hatten. Die allerletzte Sicherung unserer Währung besteht aber in dem eigenen Vertrauen zu ihr. Aus diesem Grunde sind die Äußerungen eines führenden deutschen Mannes an das Ausland zu verurteilen. Der Redner schloß seiner Ausführungen: Wir stehen in einer weltgeschichtlichen Übergangsepoche, welche noch nicht abgeschlossen ist. Notwendig und heilbringend ist es uns zu arbeiten und zusammenzuarbeiten. Es kann nur dem ganzen Volke gut oder dem ganzen Volke schlecht gehen. Die ausgezeichneten, verständlichen und durchaus objektiven Ausführungen des Redners fanden großen Beifall. – Herr Stadtschultheiß Schroth dankte dem Herrn Diplom Volkswirt Korzendörfer und schloß hierauf die Versammlung.

( ) Niederstetten, 15. April. Der land. Hausfrauenverein berief gestern seine Mitglieder in den Postsaal, um einen Vortrag des Herrn Oekonomierat Hege-Blaufelden entgegenzunehmen und gleichzeitig von der verdienten Bezirksvorsitzenden, Frau Stadtpfarrer Hahn, Abschied zu nehmen. Herr Oekonomierat Hege sprach ausführlich über Schweinehaltung, Fütterung und Pflege und fand mit seinem Vortrag Aufmerksamkeit und Beifall. Frau Ziegler zur Frickenmühle, die Vorsitzende des hiesigen landw. Hausfrauenvereins hielt eine herzliche Abschiedsrede zu Ehren der scheidenden Frau Stadtpfarrer Hahn. Sie gab ein umfassendes Bild ihrer selbstlosen Tätigkeit für den Verein und sprach ihr den Dank und die besten Wünsche des Vereins für die Zukunft aus. Nach Frau Ziegler sprachen noch mehrere Damen im Auftrag der anderen Vereine des Bezirkes. Ferner wurde Frau Stadtpfarrer Hahn durch Überreichung eines schönen Geschenkes geehrt. Frau Stadtpfarrer Hahn dankte für alle Ehrungen und brachte zum Ausdruck, wie gerne sie im Hohenloher Land gelebt und gewirkt habe. Ihre besten Wünsche galten dem ferneren Blühen der landw. Hausfrauenvereine des Bezirks. Ein Zeichen der Beliebtheit der Frau Stadtpfarrer Hahn war der zahlreiche Besuch der Veranstaltung von Nah und Fern. In einer seiner letzten Sitzungen wählte der Ausschuß des landw. Bezirkshausfrauenvereins Frau Oekonomierat Hege-Blaufelden zur Vorsitzenden.

Vaterlandsfreund, 17. 4. 1929