( ) Niederstetten, 13. Mai. In der Turnhalle hielt gestern Herr Amtsgerichtsdirektor Dr. Götz aus Cannstatt einen Vortrag über die Kriegsschuldlüge. Die sehr geräumige Halle war ungefähr zur Hälfte besetzt. Vorsitz und Begrüßung hatte Herr Stadtschultheiß Schroth übernommen. Sämtliche Vereine hatten eingeladen. Das Podium war schwarz-weiß-rot geschmückt – das heißt nur schwarz-weiß-rot. Das war falsch. Wenn eine Bewegung als überparteilich angesprochen werden will, wenn sie, wie Herr Dr. Götz ausführt, alle Deutschen unter einen Hut bringen will, so muß man allen Gefühlen gerecht werden und unbedingt auch die Reichsflagge zeigen. Selbstverständlich ist dieser Fehler nicht auf das Konto des kurz vor der Versammlung eingetroffenen Herrn Dr. Götz zu buchen. Inhaltlich führte Herr Dr. Götz aus: Man könne fragen, was der Kampf gegen die Kriegsschuldlüge heute für einen Sinn habe. Er ging auf die Vorgeschichte des Versailler Friedens ein und stellte dar, wie die deutsche Friedenskommission gezwungen wurde, den § 231 des Friedensvertrages durch Unterzeichnung des Friedensvertrages anzuerkennen. In diesem Paragraphen bekennt sich Deutschland zur Urheberschaft des Kriegs. Mit diesem Paragraphen rechtfertigen aber unsere Feinde die ganze Ungerechtigkeit des Friedens von Versailles. Wenn aber unsere Feinde durch steten Kampf zur Aufhebung des § 231 gezwungen werden, entfallen die Grundlagen des Vertrages von Versailles und er müsse revidiert werden. Sowohl moralische als auch wirtschaftliche Gründe zwingen uns, diesen Kampf zu führen, welche eine gemeinsame Sache aller deutschen sein müsse. Der Kampf sei nicht aussichtslos. Als unsere Feinde die Auslieferung der "Kriegsverbrecher" verlangt hätten, mußten sie auch vor dem geeinten deutschen Willen zurückweichen und darauf verzichten. Herr Dr. Götz führte dann den Beweis, wie falsch es sei, Deutschland die Alleinschuld am Kriege zuzuschieben. Er begann bei der Bismarckschen Politik und schilderte, wie damals Deutschland nach allen Seiten durch Verträge geschützt war, während es sich in der Folge vollständig eingekreist sah. Schon diese Tatsache, wie auch die numerische Überlegenheit der Feinde hätten verhindert, daß Deutschland je einen Krieg gewollt hätte. Aus den Archiven des Auswärtigen Amtes in Brüssel sowie durch die Veröffentlichung des gesamten deutschen Aktenmaterials (bis jetzt 54 Bände) sei erwiesen, daß der Krieg nicht durch Deutschland verursacht worden sei. Unsere Feinde weigern sich, ihre Archive in einer Weise zu öffnen, wie es Deutschland getan hat. Herr Dr. Götz zitierte eine große Reihe von Äußerungen deutscher und auswärtiger Politiker zur Bekräftigung seiner Ausführungen. Der Redner schloß: Auch wenn Deutschland ohne Waffen sei, könne es durch Einmütigkeit mächtig werden. Durch die Kriegsschuldlüge werde auch das Andenken unserer Gefallenen befleckt. Die Wahrheit sei aber auf dem Marsche und nichts werde sie aufhalten. Der Vortrag wurde beifällig aufgenommen und Herr Stadtschultheiß Schroth brachte den Dank der Versammlung zum Ausdruck. Mit dem Absingen des Deutschlandliedes schloß die Versammlung.

Vaterlandsfreund, 15. 5. 1929