( ) Niederstetten, 14. Juni 1929. Anläßlich der gestrigen Brückeneinweihung kam das nachfolgende kleine Weihespiel zum Vortrag:

Weihespiel zur Einweihung der Vorbachkorrektion Niederstetten.
Am 13 Juni 1929
von Max Stern Niederstetten

Vorspruch.
Das Werk zu krönen sind wir heut erschienen, (Noch ehe Eis und Schnee den Bach in Banden schlagen)
Erstellt zu Bürgers und des Wanderers Nutz und Frommen.
So lasset uns denn heute festlich tagen!
Den Arbeitnehmer, der die Arbeit schuf,
Den Unternehmer und die Techniker des Staates,
Den Stadtschultheiß – die Männer seines Rates –
Sie alle grüßt der Bach mit frohem Murmeln.
Er hat sich nun auch an die neue Bahn gewöhnt. Das breite Bett – modern und komfortabel
Hat ihn mit unserer Neuzeit ausgesöhnt.

Der Stadtschultheiß spricht:
Des Klagens und des Jammers war kein Ende.
Der Bach war stürmisch – und in der Extase
Trat wie ein Jüngling er aus seinen Bahnen
Umarmte er Gebäude, Feld und Straße.
Vor solchem Tun sie züchtiglich zu schützen
Dem Kecken galt es nun auf seinen Reisen,
Durch eines großen Werkes freie Tat,
Auf ewig eine neue Bahn zu weisen.
Nicht leicht war es, zu diesem Ziel zu kommen,
Und, denke ich dran, muß heut ich noch ergrämen.
Wenn 13 Köpfe eines Sinnes sind,
Muß immer einer doch dagegen stimmen.

Ein Gemeinderat spricht:
Auch in der Gegner Argument liegt Deutung.
Ist eines Sinns der Rat in allen Stücken,
Dann sagt der Bürger: Ja, so war es immer.
Der Schultheiß zieht und alle Räte nicken.

Ein anderer Stadtrat spricht:
Auch uns ist der Entschluß sehr schwer gefallen,
Doch froh bin ich, daß wir das Werk bewilligt –
Hätt Parker Gilbert nur davon gehöret,
Er hätt es ganz gewißlich nicht gebilligt.

Der Herr Oberbaurat spricht:
Der Staat hat Geld – Ihr müßt nur danach greifen.
Ihr werdet darin von mir unterstützet.
Denn – wie der Bach – das Geld rollt doch von hinnen,
Darum die rechten Augenblicke nützet.
Den Plan hab ich fein säuberlich entworfen.
Ihr braucht nur ja und amen dazu sagen.
So floß der Bach, so wird er künftig fließen
Und hier wird euch die neue Brücke tragen.
Natürlich, mancher wird das Werk auch tadeln
Und möchte dies und jenes anders sehen.
Ich lasse die Kritik mir gern gefallen,
den Fachmann wird der Laie nie verstehen.

Die Welle spricht:
Ruhelos in ew'gem Wandern
Geht mein Weg von Berg zu Tal.
Jetzt bei Euch und bald bei andern –
Jeden grüß' ich nur einmal.
Niemand mag mich aufzuhalten,
Gott gab mir das Wanderns Pflicht.
Gottes Segen zu gestalten
Schickt er mich zum Schaden nicht.
Frohes Wachstum – farbig Blühen
Zeichnen meiner Ufer Rand.
Lohn des Ackermannes Mühen
Mache fruchtbar ich sein Land.

Nach des Bergmanns harten Stunden
Lenkt auch ihn zu mir sein Pfad.
Neue Kraft hat er gefunden
Steigt erquickt er aus dem Bad.
Und die Frauen auch nicht minder
Tauchen wohlig in die Flut.
Kleinen und auch großen Kindern
Tut des Bades Frische gut.

Auf der Brücke rollt das Leben,
Geht es Wanderers rascher Schritt.
Jedem gebe ich meinen Segen
Auf das Lebens Wallfahrt mit.

Die ihr euch heut eingefunden
Mir zu weihen neue Bahn,
Lenkt in diesen Weihestunden
Eure Blicke himmelan.

Der Bauführer spricht:
Verantwortung hab ich allein zu tragen.
Daß recht und fertig sei das Werk zu Zeiten.
Bald muß ich mit dem Unternehmer mich,
Bald mit dem Vorgesetzten streiten.

Der Unternehmer spricht:
Viel Leute haben wir zum Werk bestellet
And alle regen eifrig ihre Glieder.
Der Regen stört zwar oft der Arbeit Fortschritt.
Kein Regen des Gewinnes strömt hernieder.

Der Arbeiter spricht:
Bereit am Bach stehn Werkzeug und Maschinen.
Und kaum ertönt des Unternehmers "Werde",
Dreht sich das Rad und hundert rauhe Hände,
Sie treiben Hack und Pickel in die Erde.

Das Mädchen spricht:
Ich sehe rechts und links durch grüne Auen
Einladend lieblich neue Wege breiten.
Wie froh werd ich an meines Liebsten Seite
Im schönen Lenze diese Pfade schreiten.

Der Müller spricht:
Wie lang sich auch das Mühlrad fleißig drehte,
Ich hab' zu Brennholz es zerkleinert.
Die Mühle treibe ich jetzt nur elektrisch.
Die Welt wird immer mehr verfeinert.

Der Bürger spricht:
Ihr alle habt nun Euer Wort geredet,
Ich schweige wie zu wiederholten Malen
und ziehe meinen Beutel aus der Tasche.
Wer soll denn sonst das ganze Werk bezahlen?

Nachspruch.
Wenn der Herr das Werk nicht machet
Ist umsonst der Menschen Müh.
Wenn nicht Gott die Stadt bewachet,
Wacht umsonst Ihr – spät und früh.

Und so werde Gottes Segen
Diesem Menschenwerk zu Teil.
Ueber Eurem Tun und Regen
Wachet immer – Gottes Heil!

Vaterlandsfreund, 14. 6. 1929