() Niederstetten, 14. Sept. Vor etwa 14 Tagen ist in der hiesigen Umgebung ein angeblich stummer Hausierer aufgetreten, welcher Taschentücher verkaufte. Den Leuten zeigte er eine Bescheinigung vor, in der ihm bestätigt wird, daß er durch einen im Kriege erhaltenen Kopfschuß seine Sprache vollständig verloren habe. Außerdem sei er Vater von kleinen Kindern. Die Bescheinigung wies auch einen amtlichen Stempel auf. Um bei den Leuten die Kauflust zu wecken, täuschte er sie dadurch, daß er Namen der Käufer in sein Notizbuch schreiben ließ. Die Stückzahl und den Preis setzte er jedoch selbst ein. So kam es vor, daß Leute, welche nur ein oder gar kein Taschentuch gekauft hatten, als Käufer von einem halben Dutzend Taschentücher aufgeführt waren. Am 2. Sept. gelang es dem hiesigen Landjäger, den Hausierer, der in der Pfalz wohnhaft ist, festzunehmen. Es stellte sich heraus, daß derselbe einen guten und geläufigen Pfälzerdialekt spricht und daß die von ihm vorgezeigte Bescheinigung fälschlicherweise angefertigt und auch mit einem amtlichen Stempel versehen worden ist. Der Festgenommene wurde in das Amtsgerichts-Gefängnis Langenburg eingeliefert.

Vaterlandsfreund, Nr. 215, 15. 9. 1931