* Niederstetten, 16. Mai. Es war für den Kriegerverein ein Erlebnis, aus berufenem Munde tiefgehende Ausführungen über das Thema "Wehrwille und Wehrgedanke als nationale Aufgabe" zu hören. Herr Oberstleutnant a. D. Bürger, Bad Mergentheim, sprach am Sonntag abend in der Turnhalle über dieses Thema. SA. und HJ., sowie der Gesangverein waren anwesend. Letzterer gab dem Abend durch verschiedene vaterländische Lieder eine besondere Weihe. Der Vorstand des Kriegervereins, Rich. Knenlein, begrüßte den Redner des Abends und betonte die Notwendigkeit, sich in heutiger Zeit, wo Deutschland von aller Welt verlassen und auf sich selbst gestellt ist, mit dem Wehrgedanken zu beschäftigen und den Wehrwillen zu stärken. Hauptsächlich die Jugend forderte er auf, sich mit diesen Gedankengängen vertraut zu machen. Nun ergriff Oberstleutnant Bürger das Wort. Einführend gab er einen Rückblick über die Lage in den letzten 14 Jahren. Wehrfragen fanden keine Beachtung. Doch Ideen, mit denen man glaubte, den Wehrwillen im Volke vernichten zu können, sind durch die Ereignisse der letzten Jahre widerlegt worden. Die Pazifisten mögen nur einen Blick auf den fernen Osten oder nach Südamerika werfen, und sie werden eines anderen belehrt. Die Abrüstungskomödie in Genf zeige, wie wenig die Welt heute von wahrer Abrüstung wissen wolle. Wohl sei in den letzten Jahren dem Wehrgedanken bei uns wieder mehr Beachtung geschenkt worden aber unsere heutige Lage erfordere es gebieterisch, den Wehrwillen hauptsächlich unter der Jugend zu stärken. Dabei müssen uns drei Tatsachen stets vor Augen stehen: 1. Durch die Grenzziehung, Gebietswegnahme u. Zerstückelung Deutschlands im Versailler Vertrag ist die ohnehin schon ungünstige militärische Lage Deutschlands noch verschlimmert worden. Hauptsächlich der Osten ist in ständiger Gefahr. So liegt z. B. Berlin nur noch 120 Km. von der polnischen, München 150 Km. von der tschechoslowakischen Grenze entfernt. Als zweites streifte der Redner die Sicherheitsfrage. Die Franzosen sagen: "Wir rüsten ab bis zur Grenze unserer Sicherheit". Wie sieht diese Sicherheit aus? Frankreich hat, militärisch gesehen, die günstigste Lage unter allen europäischen Staaten, da es nur mit einem Krieg im Nordosten seines Landes zu rechnen hat. Dort ist ein System von Sicherheitsanlagen im Entstehen, das einzig in dieser Welt dasteht. Die dort entstehenden Befestigungen dienen nur angeblich der Verteidigung und Sicherheit. In Wirklichkeit sind sie die Basis für die französischen Aufmarsch- und Offensivpläne. Dem gegenüber hat Deutschland nur noch 12 veraltete Festungen mit ungenügender Armierung. Als dritter Punkt wären noch die derzeitigen Rüstungen unserer Nachbarn zu betrachten. Unbeschränkte Rüstungsfreiheit, beliebige Heeresstärke, modernste Waffen stehen ihnen zur Verfügung. Dagegen hat Deutschland nur ein Heer von 100.000 Mann mit ungenügender Bewaffnung, allerdings nicht Söldner, wie unsere Feinde es wollten, sondern ein Freiwilligenheer. Zum Schluß gab der Redner seiner Freude darüber Ausdruck, daß angesichts der gefährlichen Lage, in der sich Deutschland befindet, der Wehrhaftigkeit und Wehrfähigkeit wieder größte Beachtung geschenkt wird. Durch Lichtbilder (Kartenskizzen, Pläne, Tabellen usw.) erhielt der Vortrag eine treffliche Illustration. – Vorstand Knenlein dankte Herrn Oberstleutnant Bürger für die überzeugenden Ausführungen. Wir hätten, zu führte er aus, zu unserem Reichskanzler Adolf Hitler das vollste Vertrauen. – Bürgermeister Schrot freute sich darüber, daß der Redner des Abends, der ja den Bezirk Gerabronn entstammt, auch bei uns für den Wehrgedanken geworben hat. Tauber-Zeitung, 19. 5. 1933