Niederstetten, 2, März. Es gab eine Zeit, da fand hier alljährlich ein Fastnachtsumzug statt. Diesen alten Brauch griff die gesamte hiesige HJ. auf. Gibt es doch so Vieles, was unsere HJ, glossieren kann und will. Mit bewundernswertem Eifer wurden in aller Stille die Vorbereitungen getroffen und Stoffe zurechtgelegt, die dargestellt werden sollten. In der ersten Mittagsstunden des Fastnachts-Dienstag wurde die Ankunft des Prinzen Karneval bekanntgegeben und bald darauf bewegte sich ein bunter, farbenfroher Zug durch die Straßen d. Städtchens, voran Prinz Karneval hoch zu "Roß". Und nun folgte Philister Langbart. Sein meterlanger Bart, getragen von verfügbaren Gefolgsleuten, zeigte sich als ein großes Hemmnis für das Gemeinwohl. Auch sonstige Volksschädlinge, (berüchtigte Juden, Devisenschieber usw.) durften im Zuge nicht fehlen Unsere heutige Technik gibt uns ja Mittel zur Schädlingsbekämpfung und so kam auch extra der Direktor der Schädlingsbekämpfungs-Anstalt Berlin, Dr. Fabricius, hierher, um die neueste Methode der Schädlingsbekämpfung (kalter Strahl aus einer Weinbergspritze) vorzuführen. Auch allerlei Emigrantenpack, zum Teil mit Sack und Pack, stellte sich vor. Schließlich wurde eine bei einer Zwischenlandung eingeschacherte Pastorenkuh vorgeführt, eine Räuberbande unter ihrem Räuberhauptmann Renaldo Renaldini trat auf, und als Abschluß folgten allerlei Narren und Volk. Erstaunt und überrascht ließen die Bewohner des Städtchens den bunten Zug an sich vorüberziehen. (Andere sollen sich mit Entsetzen abgewendet haben). Groß war die Menge der Zuschauer, die Zeugen des Volksgerichtes auf dem Marktplatz waren. Der lange Bart, der wie ein alter Zopf durchs Städtchen geschleift worden war, wurde infolge dringender Zeitumstände und weil unzeitgemäß, nach dem Willen des Volkes durch des Scharfrichters Beil gestutzt. Der Philister schrie selbst nach dem rechten Barbier, der auch gleich zur Stelle war und ihm Kinn und Wange schabte. Der darüber in Ohnmacht gefallene schwarze Zwerg, der die Bartspitze trug, wurde durch den Direktor Dr. Fabricius wieder zur Besinnung gebracht. Nach Vollstreckung des Urteils wurde noch der Lorbeerkranz aufgehängt. Allerlei lustige Possenlieder und Schnurren begleiteten den feierlich-ernsten Akt. Unter Absingen der Fastnachtshymne: „A, a, a, die Fasnet, die is da“, bewegte sich der bunte Zug durch die Straßen zurück zum Lokal und noch lange war dort und auf den Straßen frohes Treiben.

Niederstetten, 2. März, (Tod aufgefunden.) Am Samstagmorgen wurde beim Sägewerk Streitberger in einem tieferen Graben ein zugereister Mann stehend leblos gefunden. Er hatte sich mit einer Schnur an dem Geländer des Grabens erhängt. Dem Vernehmen nach stammt der Mann aus Schillingsfürst.

Der Franke, Nr. 52, 3. 3. 1936