Niederstetten, 26. Juni. (Zur Amtseinsetzung von Bürgermeister Schroth in Herrenberg.) In der Mittwoch-Ausgabe haben wir bereits kurz über die Amtseinsetzung des Herrn Bürgermeister Schroth als kommissarischer Bürgermeister von Herrenberg berichtet.
In der bereits erwähnten Sitzung auf dem Herrenberger Rathaus, die vom 1. Beigeordneten, Stadtrat Rauch, mit Begrüßungsworten eröffnet wurde, ergriff, lt. Schw. Tgztg. zunächst Landrat Dr. Zeller das Wort und führte u. a. aus: "Schuld und Schicksal haben sich verflochten und uns vor harte Entscheidungen gestellt. So schmerzlich bewegt wir über die Ereignisse sind, so sehr sind wir auch Willens, als Männer über diese Dinge hinwegzukommen. Es gilt nun, Bilanz zu ziehen und von Neuem zu beginnen, Wenn ich nach reiflicher Ueberlegung für die Führung der Rathausgeschäfte einen Staatskommissar ernannt habe, so ist das nicht als Mißtrauen gegen die Stadt, sondern als freundliche Hilfe zu werten. Daß meine Maßnahme ein Akt der Fürsorge war, ist auch aus der Wahl der Persönlichkeit zu ersehen. Bürgermeister Jakob Schroth ist auf vielen Gebieten der Verwaltung eine erste Kraft. Zeugnisse hoher Behörden- und Parteidienststellen bezeichnen ihn als ausgezeichneten Bürgermeister und vorzüglichen Verwalter. Außer seinem Amt in Niederstetten verwaltet er das Aktuariat verschiedener Gemeinden, ist Verwaltungratsvorsitzender eines Elektrizitätsverbandes, maßgebender Mitarbeiter des dortigen Fleckviehzuchtverbandes und hat darüber hinaus auf mancherlei Gebieten zweckdienliche und reiche Arbeit geleistet. Ich habe von den vorgesetzten Behörden die vollste Bestätigung, daß Bürgermeister Schroth in d. Lage ist, die Prüfg. auf dem Rathause durchzuführen, die Amtsgeschäfte zu übernehmen und den Wagen wieder auf das rechte Geleise zu bringen.
Landrat Dr. Zeller forderte sodann Beigeordnete, Ratsherren und die Beamtenschaft Herrenbergs zu treuer Unterstützung des neuen Stadtoberhauptes auf und verwies diese darauf auf den Diensteid. Nach der Einsetzung dankte Bürgermeister Schroth für die freundliche Begrüßung und das große Vertrauen, das ihm von den Herrenbergern entgegengebracht wird. "Wenn ich dem Ruf nach Herrenberg Folge geleistet habe", so sagte er u. a, "so kostet mich das zunächst eine Ueberwindung. Ich bin in meiner Gemeinde schon fast 20 Jahre als Stadtvorstand tätig und mit ihr so verwurzelt, daß es mir schwer fiel, dem Ruf meiner vorgesetzten Behörde Folge zu leisten.
Ich habe mir aber gesagt, daß ich deren Vertrauen nicht ausschlagen darf und daß ich als Nationalsozialist verpflichtet bin, dahin zu gehen, wo man mich braucht und wohin ich gestellt werde. Ich werde dabei so handeln, wie es mein Gewissen mir vorschreibt, wie es dem Interesse der Allgemeinheit förderlich ist und ihr zum Wohle und Segen gereicht. Ich bin willens, wie von jeher denen zu dienen, die mir das Vertrauen schenken und mich erkoren haben. Ich bitte auch, die Bezeichnung Staatskommissar nicht als eine Art Staatsanwalt oder Strafdirektor zu deuten. Ich fasse im Gegenteil mein neues Amt so auf, wie wenn es mir durch das Vertrauen der Bürgerschaft übertragen wäre. Ich gebe Ihnen daher die volle Versicherung, daß ich mich des Vertrauens, das Ihr Landrat in mich gesetzt hat, würdig zeigen werde. Ich werde alles daran setzen, das Amt wieder so in Ordnung bringen, wie es der Wunsch aller ist.
Es werden allerdings dabei harte Maßnahmen notwendig werden und ich werde an manche Angelegenheit scharf herangehen, doch nicht so, daß Maß und Ziel überschritten wird und ohne Nachteile für einzelne oder die Gesamtheit, sondern nach dem Grundsatz ausgleichender Gerechtigkeit. Ich erwarte und hoffe, daß die Beamtenschaft des Rathauses mir treu zur Seite steht und mir mit offenem Blick und offenem Herzen entgegenkommt. Auch die Herren Beigeordneten und Ratsherren bitte ich, mir alle Angelegenheiten mitzuteilen, die von Wert sind, eine Gemeinschaftsarbeit bis ins Letzte hinaus zu leisten. So werden wir es dann erreichen, daß die Wunden der letzten Tage bald vernarbt sein werden.
Nach weiteren Worten der Begrüßung und der Zusicherung treuer Mitarbeit und Gefolgschaft von seiten des ersten Beigeordneten und des Stadtpflegers Huppenbauer wandte sich Landrat Dr. Zeller noch an die Bürgerschaft, die er um Vertrauen und Verständnis für die kommenden Maßnahmen des neuen Bürgermeisters bat.

Der Franke, Nr. 147, 27. 6. 1936