Technische Möglichkeiten verleiten gelegentlich zu Spielereien, über deren praktischen Nutzen man durchaus streiten kann. Wäre es beispielsweise für den Kreislauf nicht besser, wenn man sich aus dem Sessel erheben und den Lichtschalter selbst anknipsen würde anstatt in den Raum zu rufen: "Bitte Licht anschalten!" – Wobei der Zuruf nicht der Gattin gilt, sondern irgendeiner Internetfunktion.

So kann man durchaus auch geteilter Meinung darüber sein, was City-Guides – Informationen über Sehenswürdigkeiten, die man per QR-Code und Handy abrufen kann – an grundlegenden Informationen bringen.

Was beispielsweise bei imponierenden Örtlichkeiten noch einen Sinn haben mag, wird kurios, wenn man Informationen abrufen soll von spurlos verschwundenen Sehenswürdigkeiten.

Eine solche Kuriosität ist der Audio-Guide von Niederstetten. 33 Stationen umfaßt er für die Kernstadt, darunter einige, bei denen es absolut nichts zu sehen gibt, weil sie schlichtweg nicht mehr existieren, oder andere, die Innenräume beschreiben, die für unsereinen verschlossen sind und damit als Sehenwürdigkeit ausfallen.

Da gibt es beispielsweise Station 21, Kauzenmühle, Vorbachzimmernstr. 24, ein stinknormales Wohnhaus mit zwei Mülleimern vor der Haustür, die man vielleicht besser zur Seite gestellt hätte, bevor man diese Sehenswürdigkeit fotografiert hat. Da muß man doch sofort sein Handy zücken und den QR-Code aufrufen. So daß man auf diese Weise erfährt: "Das kleine Wappen rechts, in der Nähe des Eingangs mit der Nummer 24, erinnert daran, dass hier einst die Kauzenmühle stand." – Ein Wappen ist das "Wappen rechts" natürlich nicht, aber wir wollen mal nicht so sein.

Andernorts, an einem Laternenmast, ist mit einem Plastik-Kabelbinder ein QR-Code angebracht, der uns Rätsel aufgibt. Geht es um die Straßenbeleuchtung aus früheren Zeiten? Nein, wir werden auf die Frickenmühle hingewiesen, Station 33, Frickentalstraße 13, wiederum ein ziemlich normal aussehendes Gebäude, allerdings mit dem in großen Buchstaden angebrachten Schriftzug "Frickenmühle". Jo mei, hat man jemals so große Buchstaben gesehen? Und alles neu gestrichen!

Station 17. Installation Zerstörung und Wiederaufbau, Lange Gasse 16. Drei Bänke sind abgebildet, auf jeder der Bänke ein Wort. Nein, nicht Friede - Freude - Eierkuchen, sondern "Friede", "Gemeinschaft", "Gerechtigkeit". Bequem sind diese Bänke allerdings nicht. Und schattenspendende Bäume gibt es leider auch nicht.

Sehenswert auch Station 11, Synagoge, Mittelgasse 4. Ein Glaskubus vor einem sanierungsbedürftigen Haus mit einer alten Straßenlampe – also doch! – davor. In diesem Glaskasten ein kleines Pappmodell der früheren Synagoge (denn die historische existiert ja nicht mehr) mit einer neckischen Elektro-Einrichtung. Man kann durch Eingabe von Zahlen auf einem Ziffernblock die jeweiligen Räumlichkeiten auf dem Modell lokalisieren. Wir geben spaßeshalber Nummer 8 ein – nichts leuchtet. Wir hoffen, daß die Installation wenigstens am Tag ihrer Einweihung funktioniert hat. – Dieses Kuriosum sei, wie mir Ortsansässige gesagt haben, Teil eines sechsteiligen Gedenkpfads, der um die 180.000 Euro gekostet haben soll. Umgerechnet 30.000 Euro für diese Schülerarbeit. Sauber!

Geballte Historie im "KULT", Hauptstraße 52, einem nach Industriedesign aussehenden Glas-Stahl-Bau, wie er wohl einmal in den 1980er Jahren en vogue war: Komponist Friedrich-Witt im KULT, der "Hohenloher Beethoven", ist zwar nicht in diesen unzeitgemäßen Mauern geboren, hat aber hier eine kleine Ausstellung. Hier auch das Gottlob Haag-Kabinett im KULT, gewidmet der "Stimme Hohenlohes", der freilich im Niederstettener Ortsteil Wildentierbach gelebt hat und dem man wohl besser dort den QR verpaßt hätte. Gleich zweimal das "Albert.Sammt-Zeppelin Museum im KULT", nämlich Station 29 und Station 30. Warum Albert Sammt hier verortet werden muß, wo doch an seinem Geburtshaus, vom Rathaus kommend die Albert-Sammt-Straße entlang, ein sog. "Wappen" auf ihn hinweist? Zumal alle diese kultigen Sehenswürdigkeiten nur zugänglich sind, wenn die Mediothek geöffnet hat.

Merke: Audioguides wurden ursprünglich im Museumsbereich eingesetzt: Man steht vor einem Bild und erfährt mehr darüber, wenn man den zugehörigen QR-Code scannt. Audioguides gibt es inzwischen vermehrt bei Stadtführungen. Das Prinzip ist gleich: Man sieht eine Sehenswürdigkeit (Gebäude o. ä.) und möchte mehr darüber wissen. Was aber möchte man wissen, wenn es absolut nichts Sehenswertes zu sehen gibt?

(Eingesandt von H. D., 1. 9. 2022)