Öffentliche Sitzung der Spruchkammer Mergentheim
Aktenzeichen: 33/32/1254
Protokoll der öffentlichen Sitzung am 17. 10. 47
Gegenwärtig:
1. Dr. Konrad Hampel als Vorsitzender
2. Karl Hoffmann, Mergentheim, Georg Döhler, Creglingen, Erich Ries, Niederstetten, Georg Deeg, Nassau
3. Georg Eichhorn als öffentlicher Kläger
4. Frau Puhlmann als Protokollführer
Zur mündlichen Verhandlung in dem Verfahren gegen den Eisenhändler Otto Karl Bauer geb. 23. 5. 04 in Stuttgart, wohnhaft Niederstetten, Langestr. 224
erschienen bei Aufruf der Sache der Betroffene persönlich mit seinem Verteidiger Rechtsanwalt Krohne, Bad Mergentheim
Die vorgeladenen Zeugen wurden aufgerufen, mit dem Gegenstand des Verfahrens und der Person des Betroffenen bekannt gemacht, zur Wahrheitsangabe ermahnt und darauf hingewiesen, dass sie ihre Aussage auf Anordnung der Kammer zu beeiden haben. Hierbei wurden sie über die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer unter Eid unrichtig oder unvollständig erstatteten Aussage belehrt und darauf aufmerksam gemacht, daß der Eid sich auch auf die Beantwortung von Fragen über ihre Person und sonstige Fragen bezieht, ferner dass beeidigte Aussage die gleichen strafrechtlichen Folgen nach sich zieht.
Die Zeugen wurden sodann aus dem Sitzungssaal entlassen. Über die persönlichen Verhältnisse vernommen, erklärte der Betroffene wie umseitig in der Personalbeschreibung.
Er erklärte weiter: Ich bin verheiratet und habe 1 Kind im Alter von 11 Jahren. Mein Vermögen beträgt 53.000,- RM.
Hierauf wurde die Klageschrift vom 2. 9. 47 vom Kläger verlesen.
Der Betroffene wurde befragt, ob er etwas auf die Klage erwidern wolle...
Er erklärte:
Im guten Glauben und in der Hoffnung auf eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse trat ich 1933 der NSDAP bei. Obwohl mir nahegelegt wurde, der SA oder dem NSKK beizutreten, lehnte ich dies ab, weil ich dafür keine Zeit und auch keine Freude am Dienst hatte. Nach mehrmaligem Drängen der Ortsgruppe übernahm ich den Posten als Blockleiter. Später 1936 wurde ich, nachdem ich Hilfskassenleiter war, von der Ortsgruppe als Kassenleiter ernannt als solcher habe ich die Kassengeschäfte der Ortsgruppe geführt, die sich fast ausschließlich auf Büroarbeit erstreckten. Im Herbst 1936 zog ich mir ein schweres Asthmaleiden zu und habe in Folge dieser Erkrankung bis 1939 kein Parteiamt bekleidet. Von Anfang 1939 bis Kriegsende habe ich das Amt auf Drängen des Ortsgruppenleiters wieder übernommen. Gleich zu Beginn des Krieges wurde ich, ohne gemustert zu sein, zu einer Sanitätseinheit eingezogen und war dort bis 12. 2. 41. Weil mein Vater schwer erkrankte und meine Mutter das Geschäft nicht allein führen konnte, wurde ich reklamiert u. uk-gestellt. Nach dem Tode meines Vaters 1942 erhielt ich ab 1. 1. 43 als Alleinbesitzer das Geschäft. Sofort nach dem Zusammenbruch wurde ich verhaftet und war 4 Wochen im Landratsamtsgefängnis Mergentheim. Zufolge der automatischen Haft kam ich später in das Lager Ludwigsburg, wo ich auf meine Bitten hin im Sanitätsdienst beschäftigt wurde. Die automatische Haft wäre im April 1946 zu Ende gewesen. Auf Anordnung des Sicherheitsausschusses in Niederstetten, ich glaube wohl aus Konkurrenzneid, wurde ich weiter festgehalten und erst aufgrund der Weihnachtsamnestie am 20. 1. 46 [wohl 20. 12. 1946] aus der Internierungshaft entlassen. Meine Führung im Lager ist als vorbildlich angesehen worden.
Was den Fall Emmert betrifft, so habe ich folgendes zu sagen:

Der Vorgänger meines Vaters betrieb einen Kohlenhandel. Als mein Vater 1907 das Geschäft kaufte, konnte er aus finanziellen Rücksichten das Personal nicht mehr halten und übergab den Kohlenhandel kostenlos dem Spediteur Horn mit dem Bemerken, dass wenn Horn den Kohlenhandel nicht mehr betreiben wolle, doch ihn als ersten davon zu verständigen. Horn gab dann aber den Kohlenhandel an Emmert ab, ohne meinen Vater vorher davon zu informieren. Daraufhin hat mein Vater selbst einen Kohlenhandel angefangen. Ich habe mich dann wiederholt zu Emmert geäußert, dass, wenn er in Folge seines Alters- oder Krankheit das Geschäft nicht mehr weiterführen könne, ich versuchen würde, den Kohlenhandel wieder in einer Hand zu bekommen, dass sich zwei Kohlengeschäfte an einem Platz wie Niederstetten nicht rentieren würden. Ich habe also die Äußerung nicht in dem Sinne getan, wie es Emmert heute darstellt.
A. Fr.: Bei meinem Parteieintritt war ich noch jung. In den jungen Jahren hat man alles noch vom idealen Standpunkt angesehen und geglaubt, dass der Nationalsozialismus eine Besserung für Deutschland bringen würde. Am Anfang des Krieges kamen mir die ersten Zweifel. In der ganzen Zeit vorher habe ich durch meine Tätigkeit im Geschäft den Geschehnissen gar nicht so folgen können. In den Jahren 1936-1939 habe ich mich in Folge meiner schweren Erkrankung jeder Politik enthalten und bin monatelang nicht aus meinem Zimmer herausgekommen.
Die Judenmisshandlungen habe ich vollständig abgelehnt und war nie bei einer Judenmisshandlung oder Verhaftung zugegen. Ich habe die Juden bis zum letzten Tag noch mit Kohlen versorgt. Als der Metzger Kahn wegkam, habe ich ihm noch eine Packung Schweizer Stumpen mitgegeben. Wer mich kannte, hat mich nie für einen Judenhasser gehalten.
Es wurde nunmehr in die Beweisaufnahme eingetreten:
1. Zeuge Roger Rigo, Bäcker erklärte zur Person: Ich bin 31 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:
Mein Freund Robert Blanché hat damals als franz. Kriegsgefangener in den Diensten des Betroffenen gestanden. Dadurch lernte ich den Betroffenen kennen. Mein Freund hat sich geäußert, dass Herr Bauer der beste Herr sei, der ihm zusätzlich zu essen gegeben hat und ihn mit Schuhen und Kleidungsstücken ausstattete. Blanché war 5 Jahre lang bei dem Betroffenen beschäftigt. Der Betroffene hat ihn besser behandelt wie seine deutschen Arbeiter. Blanché hatte mal einen Unfall mit dem Wagen. Wenn sich ja Braun nicht so für ihn eingesetzt hätte, wäre Blanché ins Gefängnis gekommen. Die Gefangenen konnten bei Herrn Braun alles kaufen und standen alle mit ihm im guten Einvernehmen.
Die Zeugenaussage wurde von Dolmetscher Baldersam Hofmann, Bad Mergentheim, Marienstraße 40 übersetzt.
2. Zeuge Otto Baumann, Architekt erklärte zur Person: Ich bin 59 Jahre alt, mit dem Betroffenen nicht verwandt und nicht verschwägert.
Zur Sache:

Ich kenne den Betroffenen von jeher. Nach meiner Überzeugung war er Nazi und der Urheber aller von den Nazis gegen mich ergriffenen Maßnahmen. Er hatte ein großes Interesse, mich vollkommen auszuschalten, und ließ nichts unversucht, bis er zum Ziel kam. Die Ausübung meines Berufs als Architekt ist mir 1938 entzogen worden. Es war Vorschrift, dass man Mitglied der Reichskammer für bildende Künste war. Ich konnte nicht aufgenommen werden, weil meine Frau Jüdin war und die Partei – Bauer gehörte zu den führenden Männern der Partei und war tonangebend – dagegen Einspruch erhob. So konnte ich nur noch meine Baumaterialienhandlung weiterführen, diese aber auch nur noch in ganz kleine Maße, denn niemand wagte sich noch, in ein Judenhaus zu gehen.
Der Messgehilfe Schmidt aus Schrozberg erzählte in Niederstetten, dass Bauer sich geäußert habe, dass er dafür sorgen würde, dass mir mein Posten als Schätzer bei der Württembergischen Gebäudebrandversicherungsanstalt entzogen würde. Einige Wochen darauf ließ mich Herr Oberbaurat Winter nach Schrozberg kommen, um mir zu sagen, dass von Parteiseiten nicht Ruhe gelassen würde und die Kreisleitung mein Ausscheiden verlangte. Und er selbst bedauere die sehr.
Der Verteidiger verlas Abschr. des Schreibens der Württembergischen Gebäudebrandversicherung vom 15. 12. 38 Anlage 64 d. A.
A. Fr.: Mit der neuen Kreiseinteilung hatte meine Kündigung nichts zu tun.
Der Oberbaurat Winter hat sich mir gegenüber zwar nicht geäußert, dass Bauer meiner Absetzung betrieben hätte, aber der Meßgehilfe Schmidt hat erzählt, dass Bauer sich wie oben gesagt geäußert hätte.
A. Fr.: Ich habe nicht schwarz auf weiß gelesen, dass Bauer veranlasst hat, dass ich meinen Beruf als Architekt liquidieren musste. Ich weiß aber, dass er immer gegen mich gearbeitet hat und nichts unversucht ließ, mich überall zu schädigen, denn er war ja der tonangebende Nazi. Bauer hatte große Vorteile durch seine Parteizugehörigkeit. Der Maurermeister Rupp erzählte mir, dass Herr Grosch, der Schwiegersohn des früheren Ortsgruppenleiters Wallrauch, schwere belastende Aussagen über Bauer gemacht habe.
Ich bitte, Albert Rupp, Maurermeister, Wilhelm Feinauer, Maurermstr., Frau Wallrauch, alle aus Niederstetten und Joh. Weilbach, Rinderfeld als Zeugen zu vernehmen.
A. Fr.: Ich war nicht Mitglied des Kreissicherheitsausschusses, sondern man hat mich als Gemeinderatsmitglied über Bauer befragt. Ich habe nur im Schätzungsfall, im Fall Fach Auskunft gegeben und auf den Haustausch hingewiesen.
Der öffentliche Kläger stellt den Antrag auf Vertagung der Sitzung.
Die Kamera hat beschlossen, den Antrag des öffentlichen Klägers stattzugeben. Der Termin wurde vertagt und die von dem Zeugen Baumann angegebenen Zeugen sollen vernommen werden.

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