Niederstetten, den 2. März 48.
Vernehmung
Zur Person:
Ich heisse Otto Baumann‚ geb. 18. 4. 88.
wohnhaft: Niederstetten - Krs. Mergentheim
u. erkläre in Sachen des Betroffenen Franz Wallrauch folgendes:
Zur Sache:
Zu meiner Verbringung ins KZ im Jahre 1944 habe ich folgendes vorzutragen:
Anlässlich einer Wohnungsbesichtigung durch den ehemaligen Bürgermeister Weber in Niederstetten und dem gewesenen Ortsgruppenleiter Wallrauch in Niederstetten bei Elektromonteur Wilhelm Horn im Juni 1944 machte Horn dem Wallrauch die Anzeige, dass meine Ehefrau, welche Jüdin ist, im Verlaufe eines Streites, in welchem Horn meine Frau mit den gemeinsten Schimpfworten wie Judenhure, Judenschixe und dergl. beschimpfte, Horn vorgehalten hat, er sei ein Drückeberger und gehöre an die Front.
Im Verlaufe dieser Besichtigung frug Horn Wallrauch noch, ob ihm etwas geschehe, wenn er meiner Frau eine runterhauen würde. Wellrauch lächelte und erwiderte darauf, Horn möge doch in dieser Sache in seine Wohnung kommen.
Vorerwähntes hat mir Bürgermeister Weber nach meiner Rückkehr vom Durchgangslager Bietigheim im Juli 1944, sowie meiner Frau bei einer Spruchkammerverhandlung in Bad Mergentheim erzählt.
Auf Grund dieser Anzeige des Horn bei Wallrauch erhielt ich vom staatl. Gesundheitsamt Bad Mergentheim Ende Juni oder Anfangs Juli die Aufforderung, mich und meine Ehefrau zwecks Arbeitseinsatzes zur Untersuchung zu melden.
Einige Tage darauf bekam ich vom Gauarbeitsamt Stuttgart‚ über das Arbeitsamt Schwäb. Hall, Nebenstelle Mergentheim den Befehl, dass ich mich sofort im Durchgangslager Bietigheim zu melden habe, wo auch die ärztl. Untersuchung meiner Person erfolgen werde.
An einem Sonntag, ich glaube Anfangs Juli, reiste ich nach Bietigheim und meldete mich gegen 4 Uhr abends im Durchgangslager. Der wachhabende Beamte sah mich gross an und frug mich, aus welchem Grunde ich hierher komme. Ich zeigte ihm meinen Befahl und frug ihn, ob auch noch mehrere Personen anlässlich eines Befehls zum Arbeits-Einsatz gekommen seien; worauf er mir erwiderte, dass sich noch keine weiteren Personen zu besagtem Einsatz sich eingefunden hätten und dass ihm überhaupt von einem Arbeits-Einsatz nichts bekannt sei.
Darauf hin wurde ich stutzig und sagte mir: "Da stimmt etwas nicht".
Kurz entschlossen fasste ich den Mut u. bat den wachhabenden Beamten, er möge mich doch auf einen Tag nach Stuttgart, zu Besuch eines Freundes beurlauben. Der Wachhabende hat nun tatsächlich meiner Bitte stattgegeben u. so fuhr ich noch am selben Abend zu meinem Freund Amend nach Stuttgart. Mit Hilfe meines Freundes Amend, sowie eines höheren Parteigenossen, wurde es mir möglich, mich mit Herrn Reg.Rat Kohlhammer des Arbeitsamtes Ludwigsburg, dem auch das Durchgangslager Bietigheim unterstellt war, in Verbindung zu kommen. Ich fuhr sofort mit dem Zug nach Ludwigsburg und hatte mit Herrn Reg.Rat Kohlhammer eine längere Aussprache. Letzterer sorgte dafür, dass ich nicht nach Bietigheim zurückkehren musste, dagegen vermittelte er mir eine Unterredung mit dem zuständigen Referenten des Gauarbeitsamts Stuttgart Herrn Reg.Rat Burg.
Herr Reg.Rat Burg erwiderte mir, dass ich schon lange infolge Denunziation auf der Liste der politisch Unzuverlässigen stehe und nachdem nun auch eine Anzeige von der Ortsgruppe Niederstetten gegen mich und meine Frau bei der Gestapo eingegangen sei, könnte er mich nicht länger schonen. Darauf bat ich Herrn Burg, er möge sich doch mit Herrn Kohlhamner in Ludwigsburg in Verbindung setzen. Dies tat er und Herr Burg antwortete darauf mir, ich solle vorerst nach Hause gehen und das weitere abwarten.
Zuhause angekommen, machte ich sofort ein Gesuch an das Gauarbeitsamt Stuttgart zur Ueberprüfung meines Falles, worauf ich am 4. 8. 1944 die Antwort erhielt, dass mein Gesuch geprüft werde. In dieser Sache erhielt ich nun keine weitere Antwort mehr. Ende Nov. 1944 bekam ich wieder einen Befehl vom Arbeitsamt Schwäb. Hall, dass ich mich sofort in das KZ.Lager Billroda nach Thüringen begeben muss. Meine Frau wurde Mitte Februar 1945 über des Durchgangslager Bietigheim in das KZ.Lager Theresienstadt eingewiesen.
Nur dem glücklichen Umstande, dass ich mit Hilfe meiner Bekannten in Stuttgart, die Aussage des Ortsgruppenleiters u. Horn aufklären konnte, war es zu verdanken, dass ich, wie auch meine Frau nicht schon im Juli 1944 in ein KZ. abgeschoben wurde ,wo wir denn sicher elendiglich zu Grunde gegangen wären.
Obwohl Wallrauch u. dessen Stellvertreter, Bau[e]r bei der Abschiebung meiner Person im Nov. 1944 u. meiner Frau im Feb. 45 ins KZ. nicht direkt etwas zu tun hatten, so legten beide infolge ihrer immerwährenden Denunziationen doch den Grundstein dazu.
Nachdem ich nun in das KZ. abgeschoben war, ging meine Frau zu Wallrauch und frug ihn, was das zu bedeuten hätte, dass ich ins KZ. gekommen wäre, worauf er meiner Frau erwiderte: "Du kommst auch noch fort!"
Ermittler: Weller.
v. g. u. (Otto Baumann)

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