Spruchkammer Mergentheim
Aktenzeichen: 33/32/1254
Den 30. 12. 47
Spruch
Aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 erläßt die Spruchkammer,
bestehend aus
1. dem Vorsitzenden: Horst Striebel,
2. den Beisitzern Johann Klein, Vorbachzimmern, Erich Ries, Niederstetten, Georg Deeg, Nassau, Georg Döhler, Creglingen
gegen Otto Karl Bauer, 23. 5. 04, Niederstetten, Langestr. 224
[ein Teil im vorliegenden Scan abgedeckt durch einen Zahlungsbeleg, vermutlich aber identische Angabe wie im Protokoll]
– Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Thierley, Rot am See –
auf Grund der mündlichen Verhandlung folgenden
Spruch:
1. Der Betroffene wird in die Bewährungsgruppe (Minderbelastete) eingereiht.
2. Die Bewährungsfrist beträgt 2 Jahre und beginnt mit der Rechtskraft dieses Spruches.
3. Der Betroffene hat einen einmaligen Sonderbeitrag von RM 5000, – zu einem Wiedergutmachungsfonds zu leisten. Wenn dieser Betrag nicht beigetrieben werden kann, tritt an die Stelle von je RM 100, – ein Tag Arbeitsleistung.
4. Die weiteren Folgen der Einreihung ergeben sich aus Art. 17 des Befreiungsgesetzes, der diesem Spruch als Anlage beigefügt ist, und Art. 16 Ziff. 4, 6 und 7 für die Dauer der Bewährung.
5. Die Kosten des Verfahrens trägt der Betroffene.
6. Streitwert 7800, – RM.
Begründung:
Der Betroffene ist von Beruf Bauwaren- u. Kohlenhändler in Niederstetten. Verheiratet und hat ein Kind im Alter von 11 Jahren. Sein höchstes Einkommen erreichte er im Jahre 1943 mit 6540.– RM. Sein jetziges Einkommen beträgt ca. 2200.– RM. Sein Vermögen gibt er selbst mit ca. 50000.– RM an. Er war vom 16. 6 1945 bis 19. 12. 46 in Interniertenhaft..
Der Betroffene war Mitglied der NSDAP von 1933 bis Ende. Seit Ende 1936 bekleidete er das Amt eines Ortsgruppenkassenleiters. Ferner gehörte er der NSV, der DAF, dem Reichskriegerbund und dem RLB, jeweils ohne Amt an. Er fällt dadurch unter die in Teil A D II, Ziff. 1 und 4 der Anlage zum Gesetz näher bezeichneten Personen. Dies begründet die Vermutung nach Art. 10 in Verbindung mit Teil A des Gesetzes, dass der Betroffene mindestens einen Tatbestand des Art. 7 bis 9 verwirklicht hat.
In der Klageschrift des öffentlichen Klägers vom 2. 9. 47 wird der Betroffene als Belasteter bezeichnet. Auf Grund der amtlichen Auskünfte und verschiedener belastender Erklärungen wird ihm versuchte und durchgeführte Geschäftsschädigung mit Hilfe seiner politischen Beziehungen vorgeworfen. Bei dem Kauf eines jüdischen Hauses soll er gleichfalls durch Unterstützung der Partei vor anderen höherbietenden Käufern bevorzugt worden sein. Er habe ferner gegen einen Konkurrenten gehetzt, um diesen zu seinen Gunsten zu schädigen, indem er stets betonte, dass dessen Frau Jüdin sei und man bei solchen Gewerbetreibenden nichts mehr in Auftrag geben dürfe. Auch in der Einberufungsangelegenheit eines schon 56 jährigen Miteinwohners von Niederstetten soll er sich geäußert haben, daß solchen Menschen, die für die Partei jeder Arbeit ablehnen, nicht geholfen werden dürfe. Er soll fernerhin die Absicht gehabt haben, einen anderen Kohlenhändler in Niederstetten nach dem Krieg auszuschalten und soll öfter die Äußerung getan haben, dass es nach dem Kriege nur noch einen Kohlenhändler geben werde.
Am 17. 10 47 fand gegen den Betroffenen eine erste Verhandlung statt, die aber auf Antrag des öffentl. Klägers vertagt wurde, um neue Zeugen, die sich in der Verhandlung ergaben, zu vernehmen und um weitere Ermittlungen durchzuführen.
In der Klageschrift beantragte der öffentl. Kläger Einreihung in Gruppe II der Belasteten. In der nunmehr durchgeführten Verhandlung vom 30. 12. 47 hielt er diesen Antrag aufrecht. Der Verteidiger beantragte Einreihung in die Gruppe der Minderbelasteten. In der vorerwähnten Sitzung wurden 17 Zeugen gehört, es wurden 34 Schriftstücke verlesen und davon 2 der Kammer überreicht. Im übrigen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Zunächst musste von der formellen Belastung ausgegangen werden. Er trat schon 1933 der Partei bei und wurde bereits 1936 Ortsgruppenkassenleiter. Er blieb dies bis zum Zusammenbruch. Schon daraus ist zu erkennen, dass der Betroffene bei der Partei geschätzt wurde und dass er sein Amt im Interesse der NSDAP führte. Der ehemalige Ortsgruppenleiter von Niederstetten, der Fotograf Wallrauch, z. Zt. im Interniertenlager, hat angegeben, dass der Betroffene stellvertretender Ortsgruppenleiter war und ihn auch vertreten hat. Wenn es sich dabei auch um verhältnismäßig kurze Zeiträume handelte, so steht auf jeden Fall diese Tätigkeit fest. Der Betroffene bestreitet auch nicht, ein oder zweimal tätig geworden zu sein, behauptet aber, von der Frau des Wallrauch dazu aufgefordert und niemals zum stellv. Ortsgruppenleiter ernannt worden zu sein. Aus verschiedenen Zeugenaussagen geht aber hervor, dass er bei Veranstaltungen aus Schulungsbriefen vorgelesen, dass er bei einem Sportfest die Ehrennadeln verteilt und bei Aurmärschen n immer an der Spitze marschiert sei. Dass der Betroffene durch die Frau des Ortsgruppenleiters beauftragt worden sei, ihren Mann zu vertreten, erscheint der Kammer völlig unglaubwürdig. Solch ein Verfahren würde ein Novum innerhalb der Partei bedeutet haben, vielmehr ist anzunehmen, dass Wallrauch, wenn er abwesend war, seinen Stellvertreter rechtzeitig in Kenntnis setzte. Überdies hat der Wallrauch in seiner Vernehmung vor dem öffentlichen Kläger des Interniertenlagers klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Betroffene sein Vertreter war. Dies kann ohne weiteres als glaubhaft angesehen werden, zumal der öffentliche Kläger des Interniertenlagers in seinem Begleitschreiben mitteilt, dass Wallrauch den Betroffenen offensichtlich zu schonen bemüht gewesen sei. Dagegen muss die Aussage des Betroffenen mindestens vorsichtig gewürdigt werden, da derselbe bei anderer Gelegenheit einer wesentlichen Lüge überführt werden konnte. Der Betroffene ist oft in Uniform erschienen, hat überhaupt den Nazi gern herausgekehrt. Wenn dagegen ein Zeuge bekundet, der Betroffene hätte einmal gesagt, er trage die Uniform nicht gern, so kann das nicht unbedingt auf antinazistische Beweggründe zurückgeführt werden. Somit ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Betroffene ein aktiver Nazi war, der die Gewaltherrschaft mehr als nur nominell, nämlich wesentlich unterstützt hat. Er musste zunächst also als Belasteter angesehen werden.
Wenn diese Feststellung hauptsächlich auf Grund seiner formellen Belastung gemacht werden konnte, so noch mehr auf Grund einer individuellen Haltung. Bei den Akten befinden sich eine ganze Reihe von Schriftstücken des Architekten Baumann aus Niederstetten, die den Betroffenen in erheblichem Maße belasten. Baumann und der Betroffene waren Konkurrenten, da auch Baumann ein Bauwarengeschäft unterhielt. Es ist ohne Zweifel anzunehmen, dass zwischen den beiden Konkurrenten eine Feindschaft entstanden ist, die nunmehr vor der Spruchkammer zur Geltung kommt. Beide Teile stehen sich mit großer Gehässigkeit gegenüber, die weit über das Maß eines politischen Sühneverfahrens hinausgeht, auch wenn man berücksichtigt, daß der Betroffene es verstanden hat, den Umstand zu seinen Gunsten auszuschlachten, dass der Baumann eine Jüdin zur Frau hat. Der Betroffene hat nach den Bekundungen des Albrecht zu Hohenlohe diesem gesagt, dass es in der heutigen Zeit nicht angängig wäre, Aufträge an Bauunternehmer zu vergeben, die jüdische Frauen hätten. Die Einwendungen des Betroffenen, er habe dem von Hohenlohe während dessen schwieriger finanzieller Lage durch kreditierte Kohlenlieferungen geholfen und dafür das Versprechen erhalten, später durch den von Hohenlohe mehr in geschäftlichen Dingen herangezogen zu werden, mögen gelten, aber die Äußerung betr. der jüdischen Frau ist unzweifelhaft gefallen. Es liegt auch kein Grund vor, die Aussage des von Hohenlohe anzuzweifeln, ein weiterer Zeuge, nämlich der Max Höringer aus Stuttgart erklärt, der Betroffene habe ihm versprochen, er würde seine Einkäufe bei ihm tätigen, wenn an Baumann, dessen Frau Jüdin sei, nichts mehr geliefert würde. Wie groß der Hass des Betroffenen auf Baumann und dessen Frau gewesen ist, ergibt sich wohl am besten aus der Bemerkung des Betroffenen dem Zeugen Höringer gegenüber, Frau Baumann würde ihren eigenen Kot fressen. Derselbe Zeuge bestätigt seine Aussagen, die er vor der Spruchkammer Stuttgart machte, in einem Brief, der an Frau Baumann gerichtet ist und der zu den Akten gegeben wurde. Wenn auch die vielen Anschuldigungen des Baumann gegen den Betroffenen in ihrem Wert sehr vorsichtig behandelt werden müssen, da auch auf dieser Seite persönliche Hass vorliegt und Baumann gleich nach der ersten Verhandlung gegen Bauer einen Nervenzusammenbruch erlitt, der eine längere Beobachtung seines sehr angegriffenen Geisteszustandes erforderte, so liegt doch in der Handlungsweise des Betroffenen zumindest der Versuch zur Erfüllung des Tatbestandes des Art. 9 I vor. Wenn es ihm nicht gelungen ist, wirtschaftliche Vorteile in eigensüchtiger Weise herauszuschlagen, so ist dies nicht sein Verdienst, aber das Gesetz fordert klar und eindeutig, dass diese Vorteile erreicht sein müssen. Es kann ihm also der Tatbestand dieses Art. nicht angerechnet werden. Dagegen ist es ohne Zweifel, dass der Betroffene eine gehässige Haltung gegenüber Baumann und seiner Frau, die beide als Gegner des Nazismus angesehen werden müssen, sie gelten heute auch als politisch Verfolgte, eingenommen hat und dass dadurch der Art. 7 II Ziffer 10 als erfüllt angesehen werden muss.
Die Anschuldigung des Baumann aber, der Betroffene habe es durchgesetzt, dass er, Baumann, als amtlicher Gebäudeschätzer abgesetzt würde, konnte dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden. Ein eingereichtes Schreiben der Württ. Gebäudebrandversicherungsanstalt lässt erkennen, das Baumann anlässlich einer neuen Kreiseinteilung seine Tätigkeit verloren hat. Nach Angabe des Oberbaurat Trautmann liegt keine Handhabe für die Vermutung einer Denunziation vor.
Dem Betroffenen wird in der Klageschrift weiterhin vorgeworfen, dass er sich bei dem Kauf eines Hauses aus jüdischem Besitz durch eine Parteizugehörigkeit Vorteile verschafft habe. Der Zeuge Rupp erklärt, dass er sich um dieses Haus bemüht habe. Der Bruder des Besitzers hätte ihm versprochen, dafür zu sorgen, dass er es bekäme. Da aber gleichzeitig der Betroffene auch an diesem Haus interessiert war, hätte er mit dem Betroffenen gesprochen und dieser hätte ihm erklärt, dass da nicht mehr viel zu machen sei, deshalb habe er, Rupp, verzichtet. Der Betroffene will zunächst mit dem ganzen Hauskauf nichts zu tun gehabt haben. Muss dann aber zugeben, mit dem Rupp gesprochen zu haben und erklärt, er wäre gerade in Urlaub gewesen, der Kauf wäre aber ohne sein Wissen und Zutun durch seinen Vater erfolgt, als er Soldat war. Er hätte also gar nicht den Kauf abschließen können. Er beruft sich auf den Zeugen Weber, den damaligen Bürgermeister, der extra bei seinem Vater angefragt hätte, auf welchen Namen das Haus eingetragen werden solle, ob für den Vater oder den Sohn. Das Haus soll nach Angabe des Betroffenen auf seinen Namen eingetragen worden sein, um die doppelte Eintragungsgebühr zu sparen. Der Zeuge Fach bestätigt nur, dass sein Bruder ebenfalls Interessent gewesen sei, kann aber sonst nur Vermutungen angeben. Dagegen versucht der Zeuge Schuster den Betroffenen zu entlasten. Der alte Bauer hätte dringend eine Garage benötigt. Diesem wäre gestattet worden, einen Ausbau für die Garage vorzunehmen. Der Bau wäre sehr teuer gewesen und dadurch hätte der Generalbevollmächtigte des Besitzers den Bauer sen. das Vorkaufsrecht eingeräumt. Zunächst hätte aber der Bauer sen. nicht kaufen wollen. Später aber wäre Vertrag zwischen dem alten Bauer und dem Bevollmächtigten abgeschlossen worden. Dann wäre das Haus später auf den Betroffenen überschrieben worden. Der Zeuge Weber bestätigt die Angaben des Bauer über die Anfrage, auf welche Namen das Haus eingetragen werden solle, verweist aber auf die Grundbuchakten, die noch im Rathaus Niederstetten vorhanden wären. Durch die dann herbeigeschafften Akten ergibt sich klar, dass der Betroffene selbst den Kaufvertrag unterschrieben hat. Auf Vorhalten versucht er vorzutäuschen, er könne sich daran nicht mehr erinnern, muss aber die Unterschrift als seine eigene anerkennen. Es wurde dadurch zwar bewiesen, dass der Betroffene, sowie auch der Zeuge Schuster, falsche Angaben gemacht haben, aber es konnte andererseits den Betroffenen nicht nachgewiesen werden, dass er das Haus unter Druck oder durch seine Beziehungen zu NSDAP erworben hat. Dass er dabei einen übermäßigen Vorteil erreicht oder nur erstrebt habe, kann nicht festgestellt werden. Das Haus wurde von ihm für 6000.– RM gekauft. Dass höhere Gebote vorlagen, ist nicht mit Bestimmtheit bezeugt worden. Das Haus ist nicht gut instand gehalten worden, hat auch, wie eine vorgelegte Aufstellung zeigt, einen höheren Betrag zur Instandsetzung erfordert, so dass nicht von einem Vorteil, noch weniger aber von einem übermäßigen Vorteil gesprochen werden kann. Eine Erfüllung des Tatbestandes des Art. 8 II Ziff. 3 liegt nach Ansicht der Kammer nicht vor.
Neben dem Vorwurf, den Konkurrenten Baumann auf Grund seiner Parteizugehörigkeit geschädigt zu haben, wird dem Betroffenen weiter vorgeworfen, auch gegen einen Konkurrenten im Kohlenhandel vorgegangen zu sein und zwar mit Drohungen, dass es nach dem Kriege nur noch einen Kohlenhändler in Niederstetten geben würde. Es ist dies teilweise so aufgefasst worden, dass der Betroffene nach dem Kriege in seiner Eigenschaft als Parteigenosse, der Einfluss in Niederstetten hatte, den Kohlenhandel an sich zu reißen beabsichtigte. Der Betroffene will das so hinstellen, als habe er dies dadurch erreichen wollen, dass er auf den Tod des anderen Händlers gewartet hätte, dass er also nur auf völlig rechtmäßige Weise dies Konkurrenzunternehmen hätte übernehmen wollen. Der Zeuge Emmert, dies ist der angegriffene Konkurrent, hat aber erklärt, dass der Betroffene im Jahre 1945 bevorzugt mit Kohlen beliefert worden sei und zwar durch einen Parteigenossen Mittnacht. Er, der Betroffene wäre auch ein guter Freund des Kreisleiters gewesen. Emmert hätte selbst gehört, dass der Betroffene am Telefon zu Frau Weinhändler Emmert gesagt hat: Nach dem Krieg gibt es in Niederstetten nur einen Kohlenhändler. Andere Zeugen aber bekunden jedoch, dass erst nach dem Ableben des Emmert an eine Übernahme dessen Geschäftes gedacht worden sei. Da aber 2 dieser Zeugen Angestellte des Betroffenen waren, müssen ihre Aussagen doch wohl vorsichtiger gewertet werden, wenn sie auch nicht als unglaubwürdig angesehen werden sollen. Dem Betroffenen ist durchaus zuzutrauen, dass er seine Konkurrenten nach einem siegreichen Kriege beseitigt hätte und bestimmt nicht auf das Ableben derselben gewartet hätte. Er war ein Geschäftsmann, der nur seinen Vorteil im Auge hatte. Auch in diesem Falle vermag die Kammer nicht zu dem Schluss zu gelangen, dass hier eine Schuld des Betr. vorliegt, wenn auch ein sehr starker Verdacht nicht beseitigt werden konnte. Hat das Bestreben vorgelegen, sich übermäßige Vorteile anzueignen, so fehlt hier zur Erfüllung des Tatbestandes Art. 9 II Ziff. 3 die Voraussetzung, dass dies auf Kosten eines politischen Gegners geschehen sollte, zur Erfüllung des Tatbestandes des Art. 9 I fehlt aber die Erreichung dieses Zieles. Beide Tatbestände der genannten Art. können dem Betr. also nicht zur Last gelegt werden.
Zur Gesamthaltung des Betroffenen ist festzustellen, dass er, wie die formelle Belastung schon zeigte, aktiver Nazi war. Diese Feststellung wird noch durch weitere Punkte der Beweisaufnahme erhärtet. Der Betr. schrieb eine überschwengliche Karte an den Kreisleiter, in der er sich als Propagandist des "Führers" bezeichnet und als der er auch, wenn nötig, tätig würde. Dadurch allein kennzeichnet er sich selbst als ein Anhänger und tätigen Vertreter der NSDAP. Der Zeuge Fischer beleuchtet seine, des Betr. Einstellung zur Partei durch seine Aussage über die Einziehung eine 56-jährigen Mannes. Der Betr. habe dem Zeugen, der über diese Einziehung entrüstet war, gesagt: solch einem Mann kann man nicht helfen, er hat ja jedes Parteiamt und jede Tätigkeit für die Partei abgelehnt. Er dokumentiert damit, dass nur der tüchtige, stets einsatzbereite Pg. das Recht gehabt hätte, dann nicht eingezogen zu werden, wenn er für die NSDAP sich einsetze. Der Betroffene gibt damit zu, dass er die korrupten Bestrebungen der Nazi-Gewaltherrschaft vollkommen anerkannt hat. Ob der Betr. vielleicht in seiner Eigenschaft als stellv. Ortsgruppenleiter sogar selbst die Hand im Spiel hatte bei dieser Einberufung, konnte nicht festgestellt werden.
Den Belastungen, die zum Teil nicht bewiesen werden konnten, setzt der Betroffene nun einen großen Teil Entlastungen entgegen. Im Allgemeinen handelt es sich aber nur um Redensarten, die ihn, den Betr. wohl als anständigen Menschen darstellen, ihn dadurch aber nicht entlasten, denn die anständige Gesinnung, sofern sie überhaupt als bewiesen angesehen werden kann, vermag nicht die politischen Belastungen auszuräumen. Auf die Aussagen des Zeugen Ahammer muss aber gegangen werden. Hier wird der Betr. als Helfer für die zwangsverschleppten Holländer usw. hingestellt. Eine Entlastung bedeutet auch dies nicht. Es ist keine dauernde Unterstützung politisch Verfolgter gewesen, wenn nebenbei damit ein Geschäft gemacht wurde. Er hat das Lager dieser Holländer wohl mit allen nur möglichen Dingen versorgt, jedoch daran genau so verdient wie in anderen Fällen, es bestand auch keine Gefahr für ihn dabei. Ebenso verhält es sich mit der Lieferung der Kohlen an die noch ansässig gewesenen Juden in Niederstetten. Der Betr.. war Nazi, aber ein noch größerer Geschäftsmann. Sein Ortsgruppenführer sagt von ihm, dass das Geschäft allem vorging, dass er auch über Leichen ging und deshalb auch mit Juden Geschäfte machte, wenn er vorsichtigerweise diese Geschäfte auch meist durch seinen Vater erledigen ließ.
Die Kammer ist nach gerechter Würdigung des Gesamtverhaltens und der Beweisaufnahme zu folgender Gesamtfeststellung gelangt:
Der Betroffene war ohne jeden Zweifel ein durchaus aktiver Nationalsozialist, er steht in dem dringenden Verdacht der Erfüllung der Tatbestände der Art. 9 I und 9 II 3.
Der persönliche Eindruck, den der Betroffene auf die Kammer machte, ist der, dass ihm die vorgeworfenen Handlungen, die zur Erfüllung der genannten Art. notwendig sind, zugetraut werden können. Beweise, die in eindeutig überführt hätten, waren nicht zu erlangen. Der Versuch dazu, die Tatbestände des Art. 9 zu verwirklichen, hat der Betr. unstreitig gemacht. Eindeutig wurde aber durch die Beweisaufnahme bewiesen, dass der Betroffene die Tatbestände des Art. 7 I Ziff. 1-3 und Art. 7 II 1 sowie Art. 7 I Ziff. 10 erfüllt hat. Demgemäß musste er in die Gruppe II der Belasteten eingereiht werden. Seine Entlastungen sind im allgemeinen recht dürftig. Lediglich die Aussage des Zeugen Christian Ströbel kann als besonderer Umstand nach Art. 9 II gelten. Der Betroffene hat in diesem Fall einen verletzten Polen, bei dem Lebensgefahr bestand, in ein Krankenhaus geschafft und dort das Untersuchungsergebnis abgewartet. Diese Handlung, die man im allgemeinen als menschlich und auch selbstverständlich ansieht, hat die Kammer doch zu seinen Gunsten gerechnet, da er nach Aussage des Zeugen der einzige war, der sich für den Polen, also einen Zwangsverschleppten einsetzte.
Trotz der erheblichen Bedenken, die sich aus der Beweisaufnahme ergeben, und der sehr dürftigen Entlastungen, auch der Erklärungen, die zum größten Teil nicht aus seinem Wohnort Niederstetten beschafft wurden, hat die Kammer es für richtig gehalten, den Art. 11 I Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 39 II in Anwendung zu bringen und den Betroffenen in die Gruppe der Minderbelasteten III einzustufen. Damit unterliegt er den Sühnemaßnahmen des Art. 17.
Bei der Bemessung der Sühnemaßnahmen wurden in Anbetracht der Schwere des Falles von der Möglichkeit, die Bewährungsfrist herabzusetzen, abgesehen und diese Frist auf 2 Jahre festgesetzt. Ein einmaliger Sonderbeitrag von 5000.– RM wurde als ausreichend angesehen. Von der Festsetzung von Sonderarbeit wurde nur deshalb abgesehen, weil der Betroffene an einem schweren Asthma leidet und nicht im Stande sein wird, diese Arbeit zu leisten. Zur weiteren Erschwerung des Spruches wurde aus Art. 16, Ziff. 4, 6 und 7 dem Betroffenen auferlegt, um während seiner Bewährungsfrist ihm jede politische Tätigkeit zu unterbinden und um zu vermeiden, dass der Betroffene bereits nach kurzer Zeit schon wieder öffentlich tätig wird.
Die Kosten des Verfahrens waren dem Betroffenen aufzuerlegen. Der Streitwert wurde nach seinem höchsten Einkommen aus dem Jahre 1943 mit 7800.– RM festgesetzt.

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